Liebe Leserinnen und Leser,

werfen Sie einen Blick auf den Terminkalender – der zweite Teil der Ausstellungs- und Sportsaison ist recht ereignisreich!

In den nächsten 3-4 Monaten stehen nicht weniger als vier wichtige FCI-Meisterschaften auf dem Programm:

Vom 17. bis 19. Juni finden in Velke Pole (Slowakische Republik) die Europameisterschaften im Coursing statt. Eine einzigartige Gelegenheit, um die ganz besondere und mitreißende Atmosphäre bedeutender Wettbewerbe für Rennhunde zu erleben (Infos unter: http://www.skj.sk).

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Yves De Clercq
FCI-Exekutivdirektor
Ehemalige Straßenhunde helfen Kindern mit besonderen Bedürfnissen in Rumänien

Wenn in den Medien Berichte über streunende Hunde bzw. Straßenhunde zu lesen sind, dann geht es meistens um Massentötungskampagnen, die von den örtlichen Behörden zur Reduzierung der Population der streunenden Hunde durchgeführt werden. Straßenhunde werden oft negativ dargestellt, hinsichtlich des Konflikts zwischen Mensch und Tier, ungeachtet der Tatsache, dass viele streunende Hunde in Wirklichkeit ausgesetzte Haustiere oder die Nachkommen von ausgesetzten Haustieren sind, und darum domestiziert sind und weiterhin menschlichen Kontakt und Pflege benötigen.

© Four Paws/Vier Pfoten

Im Bemühen darum, die Fehlvorstellung von Straßenhunden zu ändern, ist die internationale Tierschutzorganisation VIER PFOTEN auf eine Idee gekommen, die zunächst von vielen als absurd betrachtet wurde: Sie beschloss, ehemalige Straßenhunde als Therapiehunde für Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen auszubilden, und damit nicht nur Menschen zu helfen, sondern auch den streunenden Hunden, indem die Haltung der Öffentlichkeit geändert wird. Eine noch größere Herausforderung bestand im Standort dieses Unterfangens, Bukarest in Rumänien. Tiergestützte Therapie war in Rumänien bis dahin praktisch unbekannt, und ihrer Einführung wurde große Skepsis entgegengebracht. Außerdem werden Straßenhunde in Rumänien von vielen Leuten negativ wahrgenommen, aufgrund der Darstellungsweise in den Medien; zudem wurde befürchtet, dass sie für die Tiertherapiearbeit nicht geeignet seien.

In Bukarest, der Hauptstadt des ehemaligen kommunistischen Landes, wimmelte es von Straßenhunden - ein Erbe aus der Zeit Ceaușescus, als das Regime die Zerstörung ganzer Stadtviertel von Häusern unternahm, um Platz für den riesigen Palast des leitenden Funktionärs zu schaffen. Die Bewohner wurden in Wohnblöcke am Stadtrand zwangsumgesiedelt, wo es keinen Platz mehr für ihre Haustiere gab, weshalb viele einfach zurückgelassen wurden und sich als streunende Straßenhunde frei vermehren konnten. Jahrzehnte später setzen viele örtliche Behörden ihre Massentötung der Hunde fort, da es ihnen an der Bereitschaft fehlt, in nachhaltige und menschliche Lösungen zu investieren, wie Einfangen, Kastrieren und Freisetzen der Tiere, um die Zahl der Straßenhunde einzudämmen. Dabei werden die streunenden Hunde in den Medien oft negativ dargestellt, um derartige Aktionen rechtfertigen zu können.

© Four Paws/Vier Pfoten

Trotz der Umstände, die eine große Herausforderung darstellten, ließ VIER PFOTEN nicht locker, und nur wenige Monate später, unter der Führung von Anca Tomescu, Leiterin von Stray Animal Care, hatte die Tierschutzstiftung unter Leitung eines Psychotherapeuten ein Team von ausgebildeten Hundeführern auf die Beine gestellt, und verfügte über mehrere zertifizierte Therapiehunde, so dass mit der Arbeit mit Kindern in staatlichen und privaten Einrichtungen in Bukarest begonnen werden konnte. Bis heute, d.h. fast 12 Jahre nach Start des Dogs for People-Projekts, konnten über 150 Kinder von den Einsätzen des Teams von VIER PFOTEN profitieren, und dank der erstaunlichen Ergebnisse gewinnt die tiergestützte Therapie in Rumänien und in anderen osteuropäischen Ländern zunehmend an Bedeutung.

Psychotherapeut Victor Chitic arbeitet bereits seit Beginn des Dogs for People-Projekts in Rumänien mit dem Team von VIER PFOTEN zusammen. Victor wählt die Kinder aus, die in das Programm einbezogen werden, und koordiniert die tiergestützten Therapiesitzungen. „Tiergestützte Therapie ist eine Art Ergänzungstherapie, das heißt, dass sie eine konventionelle therapeutische Verhandlung verstärkt, an der das Kind teilnimmt“, erläutert Victor, und erklärt dann ausführlicher den Nutzen der Arbeit mit Therapiehunden. „Hunde bieten eine bedingungslose Akzeptanz, sie sehen keine Behinderung und urteilen darum nicht. Hunde bieten sensorische Stimulationen, tragen zur Entwicklung von Beziehungsfähigkeiten bei, fördern bestimmte Verhaltensweisen und können vor allem zu einem „ganz besonderen Freund“ für das Kind werden.

© Four Paws/Vier Pfoten

Das Team von VIER PFOTEN in Bukarest arbeitet hauptsächlich mit zwei Kategorien von Kindern zusammen – einerseits mit denjenigen mit Entwicklungsbedürfnissen (genetische Probleme wie Down-Syndrom, perinatale Syndrome, sowie Kinder mit zu einem späteren Lebenszeitpunkt entstandenen speziellen Bedürfnissen, z.B. nach Schlaganfällen), und andererseits auch mit Kindern mit Störungsbildern des autistischen Spektrums. Die Ziele der Therapiesitzungen sehen für jedes Kind anders aus, und werden von ihren jeweiligen Psychologen festgelegt, mit denen Victor und das Team von VIER PFOTEN eng zusammenarbeiten. Das tiergestützte Therapieprojekt Dogs for People trägt zur Erreichung von Fortschritten in verschiedenen Bereichen des Verhaltens eines Kindes bei, auf physischer und mentaler Ebene sowie auf Erziehungs- und Motivationsebene. Mit Hilfe der ehemaligen Straßenhunde erweitern Kinder ihre motorischen Fähigkeiten oder ihr Geschick im Umgang mit dem Rollstuhl, sie verbessern ihre verbale Kommunikation, die Aufmerksamkeitsspanne und die Selbstachtung, sie reduzieren das Angstniveau, erweitern ihr Vokabular, genau wie ihr Kurzzeitgedächtnis, und begreifen kurzzeitige Konzepte, wie die Größe, Form und Farbe im Zuge der verschiedenen Übungen mit dem Hund, an denen sie teilnehmen. Auch ihr Wunsch, mit anderen Kindern oder Erwachsenen zu interagieren, nimmt zu, und ihre Plan- und Organisationsfähigkeiten werden weiter ausgebaut. Alle diese Ergebnisse lassen sich in wesentlich kürzerer Zeit erreichen, als wenn nur konventionelle Psychotherapie angewendet wird, und sind in manchen Fällen ohne die Vermittlung durch die Therapiehunde schlechtweg überhaupt nicht erreichbar.

© Four Paws/Vier Pfoten

Die Hundeausbilder werden eng in die Auswahl der Therapiehunde für das Projekt einbezogen - ein Prozess, der von entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Gesamtprojekts ist. Jeder Hund wird einem strengen Auswahl- und Ausbildungsverfahren unterzogen, bevor er für die Zertifizierung als Therapiehund zugelassen wird. Zunächst erfolgt die Erstauswahl der Straßenhunde im Asyl, wobei die Reaktion des Hundes auf verschiedene Stimuli getestet wird. Wird dieser Test bestanden, werden die Hunde einer zweiten Auswahl unterzogen, wobei das Verhalten des Hundes in vielen verschiedenen Situationen beobachtet wird. Das vor Ort tätige Team von VIER PFOTEN hat bereits umfangreiche Erfahrung erworben und weiß bereits, ob ein Hund mit Kindern arbeiten könnte, nachdem es mehrere Tage mit dem Tier zugebracht hat. Dennoch nimmt diese Testphase mindestens 6 Monate in Anspruch. Diejenigen Hunde, die alle diese strengen Tests bestehen, können problemlos in den Therapieprozess aufgenommen und einem Hundeführer zugewiesen werden. Die Ausbildung der Hunde und der Hundeführer hält an, und das Team verbessert ständig seine Praxisstandards. Derzeit hat das Dogs for People-Projekt zwei Paare aus Hund und Hundeführer – Tuca mit ihrer Hundeführerin Mihaela Rafailescu und Mulan mit Ema Rafailescu. Alle Therapiehunde leben bei ihren Hundeführern und werden von diesen adoptiert. Leider hat das Team zum Jahresbeginn die zwölfjährige Tibi verloren - den ersten Therapiehund von VIER PFOTEN in Rumänien, die an einem schnell wachsenden Tumor starb. Ihr Hundeführer war George Nedelcu. Tibi war eine unglaubliche Botschafterin für die tiergestützte Therapiearbeit von VIER PFOTEN und wird von allen schmerzlich vermisst.

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„Wir haben wirklich Glück, ein großartiges Team zu haben, das bereits vom Beginn des Projekts an dabei ist“ erklärt Victor. „Der emotionale Preis ihrer Arbeit ist sehr hoch. Jedes Kind, das in die Therapie einbezogen wird, ist ein persönlicher Fall und eine persönliche Beziehung. Jeder Hund, der dem Team angehört, wird besonders gut gepflegt und wird als Mitglied unserer VIER PFOTEN Familie behandelt.“

Bis Ende 2015 führte das Dogs for People-Team die Therapiesitzungen auf dem Gelände der verschiedenen Institutionen für Kinder mit speziellen Bedürfnissen durch, wo ihnen von der örtlichen Gesundheitsbehörde ein Raum für die Arbeit zur Verfügung gestellt wurde. Dies erwies sich als Herausforderung, da die zugewiesenen Räume oft zu klein waren und nur selten über Ausrüstung verfügten, um die tiergestützten Therapiesitzungen durchzuführen und zu beobachten.

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Der 3. November 2015 stellt einen entscheidenden Meilenstein der Entwicklung dar, nicht nur für das Projekt Dogs for People, sondern auch für die tiergestützte Therapie insgesamt, sowohl in Rumänien als auch in Europa. An diesem Tag eröffnete nämlich VIER PFOTEN offiziell das Forschungszentrum für tiergestützte Therapie und Mensch-Tier-Beziehung Dogs for People in Bukarest, das vollständig durch die Tierschutzstiftung finanziert wird und kostenlose Behandlung für Kinder mit Spezialbedürfnissen bietet. Für das Team stellt dieses Zentrum einen wahr gewordenen Traum dar - nach vielen Jahren haben sie nun ihre eigenen Räumlichkeiten, und können neben der tiergestützten Therapie auch Forschungen im Bereich der Interaktionen zwischen Mensch und Tier betreiben und Schulungsseminare durchführen.

Für die Forschungsarbeit steht ein dem aktuellen Stand der Technik entsprechendes Verhaltensbeobachtungslabor (das fortschrittlichste seiner Art in Rumänien, sowie vermutlich in ganz Osteuropa) zur Verfügung, das ein drei deckenmontierte HD-Kameras umfassendes Videoüberwachungssystem einschließt, mit dem jede Therapiesitzung aus drei verschiedenen Sichtwinkeln aufgezeichnet wird, und eine hochleistungsfähige Sequenzanalysesoftware, die bestimmte Verhaltensweisen codiert und aufzeichnet. Die Software verfügt über ein eingebettetes Statistikpaket, das zur Generierung quantitativer statistischer Daten über die Interaktion mit Tieren verwendet wird, um zu unserem Lernprozess der tiergestützten Therapie beizutragen und unsere Verfahren fortlaufend zu verbessern. Nur wenige Wochen nach Eröffnung des Zentrums nahm es die Zusammenarbeit mit zwei der prestigereichsten Universitäten Rumäniens auf: Mit der Babes-Bolyai Universität in Cluj-Napoca und der Universität Bukarest. Einer der ersten international anerkannten Experten für tiergestützte Therapie, der dem Therapiezentrum Dogs for People einen Besuch abstattete, war Dr. Philip Tedeschi, geschäftsführender Direktor des Instituts für Mensch-Tier-Verbindung an der Universität Denver, der an einem von VIER PFOTEN organisierten Workshop teilnahm.

© Four Paws/Vier Pfoten

Dank des neuen Zentrums wird VIER PFOTEN dazu in der Lage sein, noch mehr bedürftigen Kindern zu helfen, und zwar nicht nur durch die Gewährung von direkter Hilfe vor Ort, sondern auch durch Schulung und Forschungsarbeit. Derzeit arbeitet das Team von Dogs for People mit 32 Kindern und plant, bis Ende 2016 die Therapie auf 50 Kinder zu erweitern.

Anca Tomescu, Leiterin von Stray Animal Care, hält es für „unglaublich, dazu in der Lage zu sein, Kindern zu helfen, und gleichzeitig die Sichtweise streunender Hunde der Leute zu ändern. Die lohnendsten Momente für uns alle bestehen darin, wenn wir durch die Interaktion mit ehemaligen Straßenhunden erhebliche Verbesserungen bei den Kindern sehen, und den Unterschied, den die Hunde im Leben der Kinder ausmachen.“

VIER PFOTEN hegt den Plan, ihre tiergestützte Therapiearbeit mit Straßenhunden auch auf andere Länder auszudehnen, wo die Stiftung in Zukunft tätig zu werden beabsichtigt.

Julie Sanders
Internationale Direktorin von Companion Animals, VIER PFOTEN